Herzlich Willkommen bei den SR-Files! 😊 Diese Reihe ist entstanden, weil ich immer wieder zwischen Tür und Angel gefragt werde, was denn eine „Mikroaggression“ sei und ob ich nicht „ganz kurz“ erklären kann, wie denn „queere Themen“ zu behandeln sind usw. Sensitivity-Reading steckt in deutschsprachigen Ländern noch in Kinderschuhen, und dementsprechend kommt es noch häufig zu vielen Fragen. Ich werde bei den SR-Files in wenigen Absätzen das Spotlight kurz auf einen Begriff oder eine Thematik aus dem Bereich Sensitivity-Reading werfen, und meinen Senf dazuzugeben – im Sinne von Infohäppchen für zwischendurch. Falls ihr Anregungen und Wünsche habt, gerne anmerken. Fangen wir die Reihe doch mal mit der Basisfrage an: Was ist die Definition von Sensitivity-Reading?
Der Duden sagt:
„Mit hoher Aufmerksamkeit für exkludierende, diskriminierende und stereotype Inhalte oder Formulierungen erfolgendes Lesen oder Lektorieren.“[1]
sensitivity-reading.de sagt:
„Sensitivity Reader*innen prüfen Texte, aber auch Filme oder gesprochene auf verletzende oder missverständliche Darstellungen und Ausdrucksweisen. […] Es geht um Authentizität und den sensiblen Umgang mit Marginalisierung und Diskriminierung.“[2]
Epubli sagt:
„Sensitivity Reading bedeutet wörtlich übersetzt ‚Gegenlesen bei sensiblen Themen‘ und gehört zur Textredaktion. Wie auch beim Lektorat werden sowohl Wortwahl und Ausdruck als auch inhaltlich Darstellungen überprüft, wobei der Fokus darauf liegt, diskriminierende oder stigmatisierende Aussagen aufzudecken.“[3]
Azubiyo sagt:
„Beim Sensitivity Reading geht es darum, Inhalte auf stereotype, stigmatisierende oder diskriminierende Darstellungen zu prüfen.“[4]
Vielfalt – Das andere Wörterbuch sagt:
„Sensitivity-Reading […] ist ein Fachlektorat zu Inhalten, die sensible Themen wie zum Beispiel Rassismus, Sexismus, Ableismus, Queerfeindlichkeit oder Klassismus berühren. Dabei kann es sich wohl um die Überprüfung von Diskriminierung auf der Textebene als auch um die Überprüfung von marginalisierten Menschen und ihren Lebenswelten handeln.“[5]
Alle dieser Definitionen sind richtig und differieren bei den verwendeten Attributen wie „stereotyp“, „diskriminierend“, „exkludierend“, „stigmatisierend“ und „verletzend“. Wichtig hierbei ist, dass Sensitivity-Reading nicht auf einen dieser Punkte beschränkt sein muss, sondern sie alle einschließen kann. Ganz vereinfacht kann auch folgende Definition verwendet werden:
„Sensitivity Reading ist ein Schritt des Lektorats, in dem es um die richtige Darstellung von Gruppen geht, die in der Regel wenig repräsentiert sind.“
Es gibt zum Beispiel auch Menschengruppen, die nicht genug repräsentiert sind, aber keine Diskriminierungserfahrung haben. Wie Menschen, die einer selteneren Religionsgruppe in unseren Breitengraden zugehörig sind. Jemand, der*die zum Beispiel hinduistisch ist oder Bahai oder einer animistischen Religion anhängt, aber nicht deshalb explizit Diskriminierung erlebt. Viele in Deutschland wissen kaum etwas über Schamanismus in Kasachstan. Gleichzeitig gelten Moslems in Saudi-Arabien und Hindus in Indien nicht zu den marginalisierten Menschen, sondern bilden die größten Religionsgruppen der jeweiligen Länder. Daher Menschengruppen, die generell wenig repräsentiert sind – egal, wo sie leben.
Lektorat: Victoria Linnea
Sensitivity-Reading: Beccs Riley
Illustration: Oliver Hoogvliet
[1] https://www.duden.de/rechtschreibung/Sensitivity_Reading (zuletzt aufgerufen am 26.02.2025)
[2] https://sensitivity-reading.de/was-machen-sensitivity-reader (zuletzt aufgerufen am 26.02.2025)
[3] Linnea, Victoria: „Was ist Sensitivity Reading?“ In: epubli. URL: https://www.epubli.com/wissen/sensitivity-reading (zuletzt aufgerufen am 26.02.2025)
[4] https://www.azubiyo.de/berufe/sensitivity-reader/ (zuletzt aufgerufen am 26.02.2025)
[5] Linnea, Victoria: Sensitivity-Reading. In: Pertsch, Sebastian (Hrsg.): Vielfalt – Das andere Wörterbuch. Berlin: Dudenverlag 2023, S. 198-199.